Den Wecker zwar gestellt, aber nicht gehört. Konnte auch nicht, da der falsche Wochentag aktiviert war. Ich habe mit der Uhr auch jegliches Zeitgefühl verloren. So wurde aus sechs dann sieben Uhr – Fred sei Dank. Seine innere Uhr war besser justiert. Alarmstart in den letzten Tag. Belohnt wurden wir wenigstens mit wieder warmen Duschwasser.
Die Sachen waren ratzfatz zusammengepackt und alle Akkus wieder geladen. Ein reichhaltiges Frühstücksbüffet spart uns den Weg in eine Bäckerei. Für 33,50 Euro pro Nase haben wir all das bekommen. Wenn man überlegt, dass ein Zeltplatz um die 10 Euro, ein Frühstück beim Bäcker auch um die 10 Euro kostet und ein Abendessen in dieser Art mit 10 bis 15 Euro käme, dann kann man das Preis-Leistungs-Verhältnis getrost als gut bezeichnen.
Mit uns startete eine dreiköpfige Gruppe mit dem gleichen Ziel. Wir sollten uns bis zur Mündung immer wieder über den Weg fahren. Aber auch Eduardo, ein von den Galápagosinseln stammender und in Deutschland lebender Radler mit Nachläuferanhänger sollte einige Male unseren Weg kreuzen. Nach circa 15 Kilometern am Bahnhof Balduinstein trafen wir die drei aus der Jugendherberge wieder. Ab hier fuhren wir eine Station mit dem Zug, denn es gibt hier eine nicht ausgebaute Passage des Radweges, die laut Bikeline als eher gefährlich zu bezeichnen ist. Sicher ist sicher. Eduardo nahm den Radweg, wie wir später erfuhren und wäre beinahe in die Lahn gefallen.
Zum Kloster Arnstein ging es megaknackig den Berg hinauf. Da mich ein DHL Paketfahrer fast vom Rad geholt hat, wurde dieses eine weitere Wandereinlage. Abgekämpft erwartete mich Fred auf dem Parkplatz des Klosters. Während ich noch dabei war, Herz und Lunge wieder in den Körper zu bekommen, filmte Fred schon die schöne Aussicht. Wir besichtigen die Klosterkirche und trafen im Klosterladen auf eine junge Novizin des griechisch-orthodoxen Klosters, die uns mit Begeisterung vom Klosterleben und Ihrer Berufung berichtete.
Für mein Empfinden ist die letzte Etappe der schönste Abschnitt. In den 12 Schleusen werden die zahlreichen Hausboote auf das jeweilige Niveau befördert, was wir beobachten konnten. Direkt an der Lahn entlang führt der Radweg durch ein enges unbesiedeltes Tal. Wunderschön. Hier habe ich zum ersten Mal im Leben einen Eisvogel gesehen, zwar nur flüchtig, aber immerhin. Glücksgefühl macht sich breit.
Mit jedem Meter kamen wir dem Ziel, aber auch dem Ende unserer Tour entgegen. In mir wird Wehmut wach. Fred und ich sind in dieser Zeit doch zu einem gut abgestimmten Team geworden.
In Nassau haben wir nur für einen Fotostop gebremst. Aber Bad Ems hat uns geflasht. Auch haben wir Eduardo kurz wiedergesehen. Die Kuranlage hier hat was. An der Römerquelle haben wir unsere Flaschen mit dem etwas salzig-schwefelig schmeckenden Wasser gefüllt. Es kommt aber mit knapp 42°C aus dem Boden. Bei 10 bis 16°C Umgebungstemperatur kühlte es schnell herunter. Mir hat es geschmeckt und wenn‘s sche‘ macht, dann hinein mit dem gesunden Zeug. Fred‘s Ding war es nicht so.
In Lahnstein ein kurzer Blick auf das Wirtshaus an der Lahn, in dem schon Goethe gespachtelt hat. Nur wenige hundert Meter weiter mündet die Lahn in den Rhein. Hier endet der Radweg und wir trafen das Trio aus der Jugendherberge wieder. Nach der Fotosession ging es nun den Vater Rhein hinab nach Koblenz.
Die letzten Kilometer waren unwiderruflich angebrochen. Auf Umwegen ging es zum Willi am Deutschen Eck, wo Mosel und Rhein zusammenfließen. Zwei Radlerdamen aus Osnabrück schossen unsere ultimatives Abschlussfoto. Die beiden sind von Trier bis Koblenz geradelt. Diese Route wurde sofort in den persönlichen ToDo-Speicher assimiliert.
Hunger – im Bauch machte sich Leere breit und ein Siegerbier musste ja zum Abschluss auch noch her. Im nahegelegenen Biergarten gab es ein Schnitzel mit Pommes und Salat und ein großes Bier 🍻 (das erste mit Alkohol – hatte ich mir wohl verdient).
Quer durch die Hölle einer Großstadt zum Hauptbahnhof. Die gefährlichsten 2,5 Kilometer der Tour. Dann noch die Suche nach den Fahrstühlen. Wie der Zufall es will, fahren unsere Züge vom gleichen Gleis ab. Erst Fred und dann ich. Das war nur fair, denn Fred musste bis Hannover.
Um neune kam ich am heimischen S-Bahnhof an. Nun galt meine Sorge dem für’s Rad viel zu kleinen Fahrstuhl. Aber irgendwie hat es doch geklappt. Nur eine der Frontroller musste ab, hatte wesentlich schlimmeres vermutet.
Fazit der Tour:
Der Lahnradweg ist toll und eine Empfehlung wert. Nicht immer fährt man am Ufer entlang, aber es passt schon. Bis auf einige schlecht ausgeschilderte Abschnitte in den Städten kann man sich eigentlich nicht verfahren und ohne Navigation klarkommen. Aber schaden tut sie auch nicht.
Zelten im Herbst ist mit dem richtigen Equipment kein Thema. In meinem Schlafsack war es auch bei 5°C mollig warm. Auch die Klymitt hat sich bewährt.
Gleiches gilt für das Wetter. Das Regenzeug hat verlässlich das getan, was es sollte. Auch die andere Kleidung war perfekt. Windlicht, warm und wasserabweisend.
Mit vier Tagen war es meine bisher längste Radreise. Aber da geht noch mehr, da bin ich mir sicher. Der Winter ist lang – planen und träumen macht bei Schmuddelwetter richtig Spaß.
Auch mit einem bislang eher Unbekannten gemeinsam auf Tour zu gehen, war eine gute Erfahrung. Bei uns stimmte – sicher auch wegen der gleichen Beweggründe – die Chemie auf Anhieb. Ich würde jederzeit mit Fred wieder auf Tour gehen.
Top 🙂
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